Ein Beitrag von Christian Völker-Kieschnick
„Wir lieben Ideen“ so lautet der von der Hoyerswerdaer Stadtverwaltung ausgerufene Slogan. Das „i“ in lieben haben wir bereits hinter uns gelassen und leben Ideen. Der WANDEL steht über allem: demografischer Wandel, Klimawandel, Strukturwandel um nur mal drei zu nennen.
Wandel sind wir in Hoywoj gewohnt. Vom beschaulichen Ackerbürgerstädtchen mit seinen kleinen Häusern und der Stadtkirche die schon von weitem das Bild der Stadt prägt.
Dann der erste WANDEL hin zur Stadt der Berg- und Energiearbeiter. Eine neue Stadt entstand neben der alten, auf der anderen Seite der Schwarzen Elster, die bis heute in manchen Köpfen die Stadt teilt. Mit der neuen Stadt kam eine neue Stadtgesellschaft, die aus der gesamten DDR zusammengetrommelt wurde und in die modernen Wohnungen aus industrieller Bauweise zog. Das sorbische Leben verschwindet leise und ist nur noch auf Folklorefesten und als Unterzeile auf den Straßenschildern zu finden. Erst später bekommt es wieder frischeren Wind.
Beständiger WANDEL. Wachstum nach oben: 72.000 Nachbarinnen und Nachbarn, kulturelle Vielfalt, mit dem Haus der Berg- und Energiearbeiter und zahlreichen Jugendklubs. Brigitte Reimann erlebte den Aufbau der Stadt und verarbeitet diesen in ihren Werken. Sie zieht von Hoyerswerda nach Neubrandenburg während Gerhard Gundermann mit seinem Bagger das heutige Lausitzer Seenland gräbt und nebenbei Lieder schreibt. Kinderreichtum, ein staatlich organisiertes Sozialleben und Hausgemeinschaften in den Wohneingängen der WK´s, Wohnkomplexe wie man hier sagt. Kleine Dörfer in der großen Stadt. Kindergarten, Schule, Arzt, Kaufhalle, Gaststätte – alles war vorhanden.
Dann 1990 erneuter WANDEL, Strukturbruch, wie man es heute nennt. Unerwartet und über Nacht ist die behütete DDR ist vorbei. Vorbei sind auch die vielen Arbeitsplätze in der Lausitzer Braunkohle. Neue Tagesordnung: Wegzug, Rückbau. Am 31.12.1990 hat Hoyerswerda noch 65 Tsd. Einwohner und ist im Schnitt 35 Jahre jung. In den nächsten 20 Jahren wird sich die Einwohnerzahl nochmals halbieren und das Durschnittsalter steigt auf rund 53 Jahre an. Wertewandel. Nazis prägen das Bild, rechtsradikal motivierte Überfalle und schließlich der Herbst 1991, der Hoyerswerda noch lange als schlechter Ruf vorauseilt und man lieber sagt, dass man aus einer Kleinstadt in der Nähe von Cottbus kommt. Die Abrissbagger entfernen scheinbar nach dem Zufallsprinzip was übrig ist, von der einstigen Planstadt, dünnen sie aus, zerfleddern sie.
Der WANDEL ist auch längst in den Vereinen, Institutionen und Hausgemeinschaften angekommen. Zeit den Kopf in den Sand zu stecken oder eben den neuen Freiraum zu nutzen, zu wandeln. Aus dem einstigen Jugendklub Laden entsteht die Kulturfabrik – KuFa und zieht in das alte Gesellschaftshaus am Markt, wo einst die Domowina der Dachverband der Sorben gegründet wurde und in deren Räumen einst Computervater Konrad Zuse für sein Abitur büffelte.
Die KuFa – Ein soziokulturelles Zentrum.
Hier treffen sich die, die Ideen lieben, die Stadt beleben, voranbringen wollen, die den Finger in Wunden legen und auch manchmal anecken bis sie endlich die Anerkennung bekommen als kultureller Anker der Stadt. Bis heute. Wie bringen wir Menschen zusammen in den nun anomysierten Hausgemeinschaften? Wie erhalten wir die Vielfalt, die unsere Stadt trotz aller Rückschläge immer noch hat und wie machen wir diese bekannt, damit dieses ewige „Hier ist nüscht los“ aufhört? Ja und die Akteure kennen sich auch kaum untereinander und wissen somit nicht von Potentialen und Synergieeffekten der anderen Stadtakteure, die sich täglich für die Lebendigkeit und den sozialen Zusammenhalt ehren- oder hauptamtlich engagieren.
All das nahm und nimmt unser GIHK Projekt in den Fokus. Mit unseren Bürgerwiesen gehen wir in die Wohnkomplexe veranstalten das, was die Älteren noch unter Wohngebietsfesten kennen. Im Gepäck Getränke und Kuchen auf Spendenbasis und Akteure zumeist aus dem eigenen WK oder dem engeren Umkreis mit einem Mitmachangebot. Mal auch einen Bürgerwiesenflohmarkt um die Menschen aus dem Quartier direkt zu beteiligen und immer ein bisschen Kleinkunst von Musik bis Kurbeltheater. Begegnungen, Austausch, Aha-Momente, doch auch irgendwann ist dies alt. Alle kennen die Bürgerwiesen vor ihren Küchenfenstern. „Da war ich schon mal“. Dabei kann ich mich an keine Bürgerwiese erinnern die gleich war. Ein neues Format muss her: Hoywoj is(s)t bunt“, Zentral im Fördergebiet auf dem Lausitzer Platz. Über kleine Speisen und Getränke der Akteure mit den Macherinnen und Machern in Kontakt kommen und sogar im Wahlkampf die Stadtratskandidatinnen und –kandidaten mal anders kennenlernen. Dazwischen erproben wir in Kooperationen neue Formate, wie z.B. eine Vereinsausstellung im Einkaufszentrum, denn oft reicht die menschliche Ressource gerade einmal für die Abdeckung der gestellten Aufgaben.
STRUKTURWANDEL liegt nun in aller Munde, die Vorhaben werde vom „zänkischen Bergarbeitervölkchen“ mit Skepsis betrachtet. Noch glauben Sie nicht an die Visionen und Hoffnungen. Zu tief sitzen wohl die Erfahrungen. Auch hier werden wir aktiv mit den Playern der Stadtverwaltung der Kampage „Darumwhy“. Die Mitmachstadt gründet sich, sammelt und initiiert verschiedenste Projekte. Hoyerswerda hat wieder Wachstum – soziales Wachstum, mittun mitentscheiden, wie z.B. beim Kommunalen Entwicklungsbereit, wo sich Vertreter*innen aus Bürgerschaft, Stadtrat, Stadtverwaltung und Wirtschaft treffen und zu einem bestimmten Thema beraten und dieses mit den engen Mitteln aber viel Engagement umsetzten. Hoyerswerda wird Mitmacher oder vielleicht erst auch vorerst Beobachter im Bundesnetzwerk der engagierten Stadt. Wie lieben den Kleinstadtzauber, dass jeder jeden kennt, gemeinsam zu ermöglichen, gemeinsam Kräfte zu bündeln und es uns für uns und unsere Gäste in unserem Hoyerswerda schön zu machen, denn wir l(i)eben Ideen. Nichts ist beständiger als Wandel und jede Krise ist eine Chance und so geht’s bei uns in Hoywoj immer weiter, denn wie singt Gundi: „Hoywoj, dir bin ich treu.“
Mehr Informationen unter: https://darumwhy.de/ https://kufa-hoyerswerda.de/
ESF Stadtentwicklung Hoyerswerda: https://www.youtube.com/watch?v=W-6I_4RaG1Q