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Grundlagen der Gemeinwesenarbeit

Bereits 150 Jahre alt und immer wieder neu entdeckt: Das Konzept der Gemeinwesenarbeit unterstützt Menschen in ihren Bestrebungen, ihre materiellen und immateriellen Lebensbedingungen zu verbessern. Die Wege zur Erhöhung von gesellschaftlichen Teilhabechancen sowie zur Lösung, Linderung und Verhinderung sozialer Problemlagen werden in der Gestaltung sozialer, ökonomischer, ökologischer Umwelten gesehen. Dies betrifft insbesondere benachteiligte, abgewertete oder neu entstehende Stadtviertel, aber auch polarisierende und marginalisierende Entwicklungen in ganzen Städten oder Regionen.

Um Veränderungen herbeizuführen, blickt Gemeinwesenarbeit einerseits kritisch auf die (stadt-) gesellschaftlichen Strukturen, anderseits auf gemeinsame, kollektive Lösungsstrategien. Deshalb setzt sie auf die aktive Mitwirkung der Bevölkerung, die zivilgesellschaftliche Selbstorganisation sowie die gezielte Vernetzung von Gruppen und Organisationen. Sie berücksichtigt dabei insbesondere die Interessen weniger durchsetzungsstarker, diskriminierter, angegriffener und/oder marginalisierter Gruppen.

Gemeinwesenarbeit arbeitet mit vielfältigen analytischen, kommunikativen, handlungsorientierten und politischen Ansätzen. Dazu gehören beispielsweise Sozialraumanalysen, empowernde Methoden, Netzwerkarbeit, Gruppen- und Beratungsarbeit, (kulturelle und soziale) Projektarbeit, Bildungsarbeit, Konfliktmediation, Engagement in planerischen Prozessen oder die Gestaltung öffentlicher Orte. In der Stadtentwicklung, Soziokultur, Bürgerbeteiligung, kirchlichen Gemeindearbeit, in Mehrgenerationenhäusern, Gemeindepsychiatrie, mobiler Jugendarbeit, in Nachbarschaftsvereinen, Wohnungslosen- oder Stadteilinitiativen und vielen anderen Bereichen wird mehr oder weniger ausdrücklich mit dem Konzept der Gemeinwesenarbeit gearbeitet. Es lohnt sich, dem Konzept mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Was ist Gemeinwesenarbeit?

Gemeinwesenarbeit (GWA) steht für eine Erweiterung der sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Perspektive, die die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen für individuelle Ausgrenzungsprozesse stärker beachtet und zum Gegenstand von Interventionen nimmt. Wesentlich für GWA ist ihr transformatorischer Impetus, „sie (…) ist charakterisiert durch die Aufgabe der Gestaltung von Verhältnissen – allerdings nicht im herkömmlichen sozial-planerischen Sinn von oben, sondern im gemeinsamen Tun mit Betroffenen und in politischen Interventionen der Professionellen (Bitzan 2016, S. 373). Gemeinwesenarbeit ist die Kernkompetenz des Quartiermanagements im Rahmen von Sozialer Stadt.

Ziel von GWA ist die Gestaltung und Verbesserung von Lebensbedingungen mit Blick auf größere soziale Zusammenhänge – Quartiere, Nachbarschaften, Organisationen oder benachteiligte Bevölkerungsgruppen – unter maßgeblicher Einbeziehung und Aktivierung der Betroffenen selbst.

Was ist Quartiersmanagement?

„Quartiersmanagement“ hat sich als Begriff für eine koordinierende und aktivierende Unterstützungsstruktur im Stadtteil etabliert. Mit Quartiersmanagement werden die Aufgaben der Organisation des Stadtteilentwicklungsprozesses durch ein „Vor-Ort-Management“ in einer Anlaufstelle (z.B. Stadtteilbüro) beschrieben.

I.d.R. leisten Gemeinwesenarbeiter/innen (GWA) und Quartiersmanager/innen (QM) (methodisch fundierte) Integrationsarbeit.

Was wird im Rahmen von Gemeinwesenarbeit getan?

Die Akteure der Gemeinwesenarbeit fungieren als zentrale Vernetzungsinstanz und bringen die Träger und Vereine im Gebiet zusammen. Eine direkte Anbindung von Beratungsangeboten und einzelfallbezogener Sozialarbeit an die Gemeinwesenarbeit, aber insbesondere auch von sozial-kulturellen Angeboten, schafft Anknüpfungspunkte und öffnet ermutigende und kreative Zugänge, auch zu Menschen in schwierigen Lebenssituationen.

Gemeinwesenarbeit wirkt als Mittlerin und Netzwerkakteurin auf unterschiedlichen Ebenen: auf der individuellen, der zivilgesellschaftlichen und der kommunalen Ebene. Sie fungiert als Anlaufstelle, Begegnungs-, Vermittlungs- und Gestaltungsraum sowie als Verstärkerin zivilgesellschaftlicher Anliegen. Der Gemeinwesenarbeit gelingt es sehr gut, Miteinander und Zusammenhalt, Dialog und Konfliktschlichtung sowie Engagement und Beteiligung im Quartier zu fördern.

Sozial-kulturelle Arbeit öffnet Türen, fördert Begegnung und baut Brücken zwischen verschiedenen Menschen, Milieus und Sozialräumen. Zwischen Quartiersmanagement, Nachbarschaftshäusern, Stadtteilzentren und Gemeinwesenarbeit können sich wichtige Synergien entwickeln.

Welche Bedeutung hat Gemeinwesenarbeit?

Einen wesentlichen Beitrag leistet Gemeinwesenarbeit zum Aufbau sozialer Beziehungen und Kooperationsstrukturen, zur Unterstützung von Kommunikation sowie zum Ausbau von Selbstorganisation und gemeinsamer Handlungsfähigkeit – letztendlich hat sie eine demokratiefördernde Wirkung.

Gemeinwesenarbeit hat eine zentrale Brückenbauerfunktion, denn sie setzt zielgruppenübergreifend an – häufig themenbezogen – wodurch viele verschiedene Menschen angesprochen, gemeinsame Austausch- und Lernprozesse gefördert und stigmatisierenden Fokussierungen auf einzelne Personengruppen entgegengewirkt wird.

Durch die kommunikative Vermittlung zwischen unterschiedlichen Lebenswelten, der Förderung von kollektivem Empowerment und Selbstorganisation, den partizipativen (Bildungs-) Möglichkeiten trägt Gemeinwesenarbeit zu einer nachhaltige Gesellschaftsentwicklung bei.

Gemeinwesenarbeit fördert eine partizipative Verbesserung der Lebensbedingungen im Sinne der Bewohnerschaft im Stadtteil. Eine aktive und gut ausgestattete Gemeinwesenarbeit bietet unausgeschöpfte Potenziale für eine Stärkung lokaler Demokratie.

Soziale Integration beeinflusst zivilgesellschaftliches Interesse, das wiederum Voraussetzung für die Herausbildung von Kompetenz, Vertrauen und Zufriedenheit ist. Diese Kerngrößen prägen schließlich die Bereitschaft zur bürgerschaftlichen Beteiligung. Die Potenziale der Gemeinwesenarbeit bestehen darin, dass sie mit ihren Angeboten auf unterschiedlichen Ebenen ansetzt: bei der Stärkung individueller Kompetenzen, der Förderung einer lebendigen Zivilgesellschaft und der Mitgestaltung von Partizipationsmöglichkeiten in der Kommune.

Wie kann Gemeinwesenarbeit wirksam verankert werden?

Die Gemeinwesenarbeit agiert als wichtige Mittlerin und kann ihre Potenziale vor allem dann voll entfalten, wenn sie über eine hinreichende Ressourcenausstattung zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügt. Die von der Gemeinwesenarbeit ausgehenden Impulse flankieren eine Kommunalpolitik, die sozialraumbezogen und diversitätssensibel Engagement fördert und „echte“ Beteiligung ermöglicht. Ihr volles Potenzial kann Gemeinwesenarbeit dann entfalten, wenn Politik und Verwaltung die Chancen des diversitätssensiblen und partizipativen Zugangs der Gemeinwesenarbeit zu den Bewohnerinnen und Bewohnern anerkennen und bereit sind, deren lebensweltliche Expertise ernst zu nehmen, die Menschen partizipieren zu lassen und ihnen auch Entscheidungsmacht zu geben.

Das Selbstverständnis der Akteure und die (personelle) Kontinuität der Gemeinwesenarbeit sind wichtige Erfolgsfaktoren für Wirksamkeit. Die Kontinuität des Personals, die enge Verbundenheit mit dem Quartier, der Aufbau von Bindungen und Vertrauen sowie gelingende Übergänge von der Gründergeneration zu den nachfolgenden sind wesentliche Erfolgsfaktoren.

Auch in bestehende konzeptionelle Ansätze der Sozialen Stadtentwicklung sollte Gemeinwesenarbeit verankert werden, um eine größere Breitenwirkung entfalten zu können. Es braucht eine starke Verknüpfung gesamtstädtischer Strategien.

Damit die Gemeinwesenarbeit zwischen der Lebenswelt der Bewohnerschaft sowie der Politik und Verwaltung vermittelnd tätig werden kann, muss die Arbeit bei freien Trägern angesiedelt und eine prozessorientierte, unabhängige Arbeitsweise ermöglicht werden.

Besonders zielführend ist der Aufbau dauerhafter Beteiligungsstrukturen in Gestalt von Interessenvertretungen, Bewohnerorganisationen oder Stadtteilforen, um Menschen in benachteiligten Stadtteilen nachhaltig Gehör zu verschaffen. Diese demokratiefördern den Beteiligungsstrukturen gilt es weiter auszubauen und positive Erfahrungen stärker sichtbar zu machen.

Gemeinwesenarbeit lebt von einer Funktionsmischung aus niedrigschwelligen Hilfen und Beratung zur Lebensbewältigung, sozial-kultureller Arbeit, Vernetzung und angewandter politischer Bildungsarbeit, indem sie viele verschiedene Menschen anspricht und einbezieht. Dadurch kann der Umgang mit vielfältigen Interessen erlernt, soziale Netze und Vertrauen können aufgebaut und diese Kontakte auch bezüglich verschiedener Partizipationsprozesse genutzt und aktiviert werden.

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